Geschichte der Seife

Was ein windiger und regnerischer Tag. Doch von ein wenig schlechtem Wetter lies sich Anuak nicht entmutigen. Heute durfte sie das erste mal Talg selbst einkochen und sie freute sich bereits auf diese neue Herausforderung.
Während sie alle Schritte in Gedanken noch einmal durchging, fing sie an frisches Reisig für das Feuer zu sammeln. Viel benötigte sie nicht, denn sie konnte nur die kleine Feuergrube vor dem Haus nutzen. Auf der großen Feuerstelle im Haus kochte ihre Mutter die Wäsche aus.

Nachdem Anuak das Feuer entfacht und den Talgtopf darauf gestellt hatte, fing die an zu rühren. Plötzlich hörte sie hinter sich ein Lämmchen blöken, dass scheinbar aus dem Stall entlaufen war. Anuak dachte sich, dass der Topf die kurze Zeit, die sie brauchen würde, um das Lämmchen zu fangen, auch alleine auf dem Feuer bleiben könne und so machte sie sich auf, das Lämmchen zu fangen. Angsterfüllt sprang dieses jedoch mal hier hin und mal dorthin und es dauerte fast eine Stunde bis Anuak das Lämmchen endlich gefangen und zurück in den Stall gebracht hatte.


In der Zwischenzeit hatte es begonnen leicht zu regnen.

Als Anuak zurück zur Feuerstelle kam musste sie mit entsetzten feststellen, dass der Wind weiße Asche in den Topf geweht hatte, der in einer Wasserpfütze auf dem Talg schwamm. Eilig rührte sie alles unter in der Hoffnung, dass es nicht weiter auffallen würde. Aber die Masse im Topf verfärbte sich in ein unschönes braun-grau.

Lieber sag ich es Mutter gleich, als später, dachte sich Anuak und wollte den Topf zu ihrer Mutter bringen. Doch ein Unglück kommt selten alleine und so stolperte sie im Haus über ein Stück Wäsche. Der ganze Topf rutsche ihr aus den Händen und landete mit einem Platsch im großen Wäschekessel.
Anuaks Mutter fing an zu schimpfen: "Jetzt muss ich die ganze Wäsche noch einmal waschen." Doch als sie in den Kessel schaute um das Talktöpfchen heraus zu holen sah sie, dass der Schmutzt sich fast wie von selbst aus der Wäsche löste.

So oder so ähnlich könnte es gewesen sein, als die Sumerer vor rund 6.500 Jahren die ersten Schritte in Richtung Seife machten.


Vor ca. 6.500 Jahren

Schrift ist keine Erfindung der Neuzeit, schon die Sumerer nutzen eine Keilschrift um Rezepte und Geschichten zu erhalten. Bei der Übersetzung dieser Schriften fanden Archäologen auch ein Rezept für 'Seife'. So wurde aus Pottasche und Wasser eine Lauge gerührt, die man anschließend mit Talk verkochte.

Das Ganze ergab eine Art Schmierseife, die man als Medizin bei Hautkrankheiten und Wunden auftrug.

 

Vor ca. 4.000 Jahren
Auch bei den Ägyptern finden sich Rezepte zur Seifenherstellung. Allerdings mischten sie in die Lauge, die ebenfalls aus Pottasche und Wasser bestand, noch Soda. Von Hieroglyphen und Bilddarstellungen wissen wir, dass sie ihre Schmierseife nicht nur als Medizin, sondern auch schon zum Waschen von Kleidung, einsetzten.

 

Vor ca. 2.000 Jahren

Die Römer haben viele Erfindungen anderer Völker gestohlen. So auch die Kultur des Badens. Allerdings merkten sie schnell wie wohltuend es für die Haut war. Daher ließen sie überall in ihrem Reich Badehäuser erbauen.

Man schrubbte sich den Dreck mit Bimsmehl von der Haut, denn Schmierseife wurde, aufgrund des Geruchs, weiterhin nur zur Reinigung der Kleidung genutzt.

Erst zum Ende der Römerzeit fing man an Schmierseife mit Essenzen von Rose oder Lavendel zu versetzten und die Duftschmiere hielt Einzug in die Badehäuser.

 

Vor ca. 700 Jahren

Not macht bekanntlich erfinderisch. Und so entwickelten Beduinenvölker im nahen Osten eine andere Art der Seifenherstellung. Sie verkochten erstmals Pflanzenöle mit gefilterter Lauge, Salzen und Kalk. Die so entstandene Seife konnte man Schneiden und in Stücken trocknen. Ein neues, gut zu transportierendes Handelsgut war Erfunden und verbreitete sich wie ein Lauffeuer in ganz Europa.

 

Vor ca. 400-600 Jahren
So schmutzig wie man immer denkt, war das Mittelalter zum Anfang hin gar nicht. Die Badehäuser der Römer standen noch und es waren sogar so viele, dass selbst die Ärmsten sich regelmäßig waschen konnten. Und dann gab es ja auch noch diese neuartige Seife aus dem Orient.

Allerdings gab es noch keine Abwasser- und Abfallhygiene was immer wieder zu Choleraausbrüchen führte. Und ausschweifende Sexgelage führten zur Verbreitung der Syphilis. Im Verdacht hatte man die Badehäuser als Auslöser und kurzerhand wurden sie geschlossen oder sogar ganz abgerissen.

 

Eine Folge daraus war der unerträgliche Gestank. Schweiß und Fäkalgeruch war allgegenwärtig. Der Adel behalf sich, indem man sich mit trockenen Tüchern abrieb und anschließend den ganzen Körper mit parfümiertem Puder einpuderte. Perücken wurden mit Mehl bestäubt und Duftblumen darin versteckt. Das ganze hielt aber Ratten, Mäuse oder anderes Ungeziefer nicht davon ab weiterhin Krankheiten zu verbreiten oder als Überträger zu dienen.

 

Vor ca. 350 Jahren

 

Einem Stank das ganz aber zu sehr. König Ludwig XIV von Frankreich, auch der Sonnenkönig genannt. Er verhalf der Seife zu neuem Aufschwung. Er bestellte die besten Seifensieder nach Versailles ein und baute ihnen in Marseille sogar ganze Manufakturen. Er war es auch, der das 'Edikt von Colbert' erließ, welches die Herstellung von Seife gesetzlich regelte.

Allerdings war Seife sehr teuer und so konnten sich nur Reiche oder Adlige diese Kostbarkeiten erlauben.

 

Vor ca. 150 Jahren

Zwei Chemiker sorgten schließlich dafür, dass Seife zu einem Massenprodukt wurde, das für alle erschwinglich war: der Franzose Nicolas Leblanc und der Belgier Ernest Solvay. Durch ihre Verfahren konnte man kostengünstig Soda und im Anschluss daran Natriumhydroxid herstellen.

 

Vor ca. 100 Jahren

Seife wird durch synthetische Putz- und Reinigungsmitteln abgelöst und viele Seifenmanufakturen müssen schließen. Von den ursprünglich 108 Seifenfabriken in Marseille und 14 in Salon-de-Provence im Jahre 1924 sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch insgesamt fünf übrig.

 

Vor ca. 50 Jahren

Erst in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts kam es zu einer 'Rückkehr zu natürlichen und ökologischen Werten'.

Heute gibt es viele kleine Seifenmanufakturen, die sich allerdings an kein Reinheitsgebot mehr halten müssen. Der Name Naturseife oder Naturkosmetik ist nicht geschützt und kann von jedem genutzt werden. Daher muss man heute mehr denn je darauf achten, was in seinem Pflegeprodukt steckt.


Edikt von Colbert

Aus dem Französischen übersetzt von Dieter Walter

Edikt des Königs für die Hersteller von Seife vom 05.Oktober 1688

 

I.

Die Herstellung von Seife, gleich welcher Qualität sie seien, hat während der Monate Juni, Juli und August eines jeden Jahres vollständig zu unterbleiben, bei Strafe der Beschlagnahme der Seife.

 

II.

Die neuen Öle dürfen zur Herstellung vor dem ersten Mai eines jeden Jahres nicht verwendet werden, ebenfalls bei Strafe der Beschlagnahme der Ware.

 

III.

Beim Herstellen von Seife mit Barille, Soda oder Asche oder anderer Stoffe bedienen, sondern nur reiner Olivenöle, und ohne Beimengung von sonstigem Fett, bei Strafe der Beschlagname der Ware.

 

IV.

Die Seife soll einwandfrei mit allen notwendigen Zubereitungen hergestellt werden, bei oben genannten Strafen.

 

V.

Sie soll aus dem Kessel genommen und vorschriftsmäßig gelagert werden, anschließend in Stapeln, dann in Türmen, um an jeder dieser Stellen die nötige Zeit zum Klarwerden und zum Annehmen der hellgelben Farbe zu verbleiben.

 

VI.

Die Hersteller dürfen keine zwei Durchgänge auf einmal zubereiten, bei Strafe der Beschlagnahme der Ware und fünfhundert Pfund für jede Zuwiderhandlung.

 

VII.

Die Fenster des Leffugon genannten Bereichs dürfen weder bei Tag noch bei Nacht geschlossen werden, solange dort Seife ablagert und das Wetter nicht entgegensteht.

 

VIII.

Die Käufer dürfen auf den Rechnungen für ihren Erwerb nicht mehr als zwei Pfund Mehrgewicht bei jeder kleinen Kiste Seife und vier Pfund bei den großen abziehen.

 

IX.

Keinem Fabrikanten und keiner sonstigen Person wird erlaubt, Seifenfabriken zu unterhalten oder zu mieten, ohne sie tatsächlich arbeiten zu lassen, und ohne falsche Nutzung. Alle, die sie geschlossen halten und nicht arbeiten lassen, werden wegen Monopolbildung streng nach Gesetz verfolgt und bestraft.

 

X.

Die Fabrikanten dürfen sich entgegen der allgemeinen Freiheit weder zum Einkauf der Öle und anderer Materialien, die deren Herstellung dienen, noch zum Verkauf der Seifen zusammentun, bei dem im vorgenannten Artikel aufgeführten Strafen.

 

XI.

Wer bei Übertretungen dieses Reglements angetroffen wird, wird zu Strafen und Folgen verurteilt, und wenn sie rückfällig werden und ihnen Betrug nachgewiesen wird, werden sie aus der Provinz vertrieben.

 

XII.

Auf Befehl seiner Majestät sollen die Geldstrafen und Konfiszierungen von den ordentlichen Richtern, die für die auftretenden Zuwiderhandlungen hiermit als zuständig erklärt werden, zugunsten der Krankenhäuser der Städte, in denen diese begangen wurden, verwendet werden. Unter keinem Vorwand dürfen die Strafen, die durch diesen Erlaß angedroht werden, als widerruflich gelten, aufgeschoben oder ermäßigt werden.

 

XIII.

Die Stadtgemeinden der Provinz, in denen es Seifenfabriken gibt, ernennen zwei Bevollmächtigte, die in dieser Angelegenheit verhandeln und gehört werden, damit sie in besagten Städten und ihrem Umland die die vollständige Durchführung obiger Artikel sorgen. Wenn sie Fabrikanten oder Händler finden, die zuwidergehandelt haben, sollen sie sie bei den ordentlichen Richtern anzeigen, damit sie nach den Erfordernissen des Falls bestraft werden.

 

XIV.

Ausgefertigt in Fortainebleau am fünften Oktober Sechzehnhundertachtundachtzig.

Unterzeichnet: LOUIS

Unterzeichnet COLBERT